Masterstudierende der Studiengänge „Interprofessionelles Management in der Gesundheitsversorgung„ und „Public Health“ haben an der Hochschule Fulda unter der Leitung von Prof. Margit Christiansen und Dr. Ottomar Bahrs eine qualitative Forschung durchgeführt, um die subjektiven Erfahrungen und Einschätzungen von Akteuren im Gesundheitswesen zu Positive Health zu erfassen und auszuwerten. Hierzu wurden vierzehn leitfadengestützte Interviews mit Ärzten und anderen Akteuren aus der Patientenversorgung durchgeführt und mit der Inhaltsanalyse ausgewertet. Ziel ist es, die Potenziale und Barrieren hinsichtlich der Anwendung des Gesprächsinstrumentes Positive Health in der interprofessionellen Versorgung zu ermitteln.
Grundsätzlich wird von den Akteuren, die zum Teil schon umfangreichere Erfahrungen mit Positive Health haben, aber zum Teil das Instrument erst kennenlernen, der Einsatz des Spinnennetzes als leicht empfunden. Zudem zeigen die Erfahrungen der Teilnehmer, dass mit den Gesprächen die Motivation der Patienten gefördert werden kann und die Patienten dazu angeregt werden, eine aktive Rolle im Arztgespräch einzunehmen. Damit fühlen sich diese ernstgenommen, wertgeschätzt und erleben das Gefühl der Sinnhaftigkeit. Allerdings müssen sich die Personen auf das Gespräch, das unterschiedliche persönliche Bereiche betrifft, einlassen. Hierzu sollte bereits ein Vertrauensverhältnis zu den Patienten aufgebaut sein. Dies wäre zum Beispiel in der hausärztlichen Versorgung, der Versorgung von chronisch Kranken, in der interprofessionellen Versorgung oder bei Check-Up Untersuchungen der Fall. Die Anwendung bei akuten oder psychischen Erkrankungen wird eher kritisch gesehen.
Voraussetzung für die Implementierung des Positive Health Gesprächs in die interprofessionelle Versorgung ist, dass genügend zeitliche, finanzielle und personelle Ressourcen sowie digitale Dokumentationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die Beteiligten müssen in der Gesprächsführung mit dem Spinnennetz qualifiziert und die Patienten müssen informiert sein. Grundsätzlich bedarf es ein anderes Verständnis darüber, was Gesundheit ausmacht, was einem Kulturwandel gleichkommt, der mit Öffentlichkeitsarbeit unterstützt werden muss. Da die Gesundheit aus sechs Perspektiven betrachtet wird, ist die interprofessionelle Zusammenarbeit wichtig, bei der sich unterschiedliche Verantwortlichkeiten herausbilden, die zu koordinieren sind.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Positive Health Potenziale für eine interprofessionelle Gesundheitsversorgung besitzt. Gefördert werden ein einheitliches Gesundheitsverständnis und das gegenseitige Verständnis zwischen den Professionen. Außerdem bietet das Spinnennetz eine Grundlage für die Kommunikation und die gemeinsame Dokumentation. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Zugang zu solchen sensiblen Informationen, die sehr persönliche Bereiche betreffen können, in der interprofessionellen Zusammenarbeit aus datenschutzrechtlicher Sicht abgesichert wird. Ein weiteres Potenzial ist darin zu sehen, dass die Patienten ihre eigenen Ressourcen und Schwächen erkennen und somit aktiv in der interprofessionellen Versorgung agieren. Allerdings müssen alle Beteiligten mit dem Positive Health Gedanken und der Gesprächsführung mit dem Spinnennetz vertraut sein und die Bereitschaft, sich mit den Patienten auf diese Art und Weise auseinanderzusetzen, mitbringen. Möglicherweise bedarf es dazu Anreize, zum Beispiel durch die Finanzierung solcher Gespräche, auf jeden Fall müssen personelle und zeitliche Ressourcen vorhanden sein.
Mit diesem Projekt konnten die ersten Erfahrungen und Einschätzungen zur Anwendung des Positive Health Konzeptes in Deutschland ausgewertet werden. Interessant wird es sein, die weitere Verbreitung von Positive Health wissenschaftlich zu begleiten und zum Beispiel die Anwendung in unterschiedliche Settings zu untersuchen oder die Patientenerfahrungen in den Gesprächssituationen zu analysieren.
Prof. Dr. Margit Christiansen
Studiendekanin "Management im Gesundheitswesen mit dem Schwerpunkt Personal", Hochschule Fulda